Seit acht CDs arbeitet Crameri nun schon mit PlasticArtFoundation (PAF) an seiner Musik, seinem Klangkosmos. Oder, wie er es nennt: „Einem Erneuerungszyklus des Bewusstseins“. Die Besetzungen wechseln ständig und bringen namhafte Musiker wie Arild Anderson, Paulo Vinaccia oder den in Los Angeles wohnhaften Cellisten Martin Tillmann hierher in das kleine Paradies sowie ins Rainbow-Tonstudio von Jan Erik Kongshaug nach Oslo, wo die Ergebnisse der Sessions klangtechnisch auf den höchsten Stand gebracht werden. …
Der Diskussion über Jazz ist Carlo sowieso längst überdrüssig. Es geht um mehr.
Um polyphone symphonische Strukturen, nichts Eintöniges wie im Jazz oder Rock. Um eine Obsession, um eine Such-Findung. Dafür können wir keine satten Musiker gebrauchen. Die wollen nicht ans Limit, wir aber schon. Und darüber hinaus. Wir machen das nicht um CDs zu verkaufen, sondern um etwas zu verbreiten. Einen Gedanken, eine Idee, eine Haltung. Den Samen auszubringen.
Reinhard Köchel, ‚Jazz Thing‘, Juni 2010, S. 68.
„Wenn ich Abstand von neuen Kompositionen brauche, wechsle ich in die Malerei und umgekehrt. Es ist ja bekannt, dass Farbe und Ton – obwohl vom Auge resp. Ohr, also scheinbar getrennt wahrgenommen – zusammenhängen, bzw. als Schwingungsträger miteinander verzahnt sind; was sich auch in der übereinstimmenden Anzahl der 12-Tonleiter oder 12-teiligen Farbkreis ergibt. Musik ist allerdings die Speerspitze der Evolution. Sie hat die Fähigkeit, alles – auch Sprachgrenzen – zu durchdringen, weil Musik Schwingungs-Schallenergie in Einheiten von Klang und Farbe ist – Transformationsaktivität, die aus dem Zentrum von Null-Klang und ‑Farbe in andere Bewusstseins-Zeitzonen spiralförmig hinausdreht; eine Klang-Farbreise, die zu einem Erneuerungszyklus des Bewusstseins führt. Das meine ich mit Speerspitze.“ so Crameri.
„Kunst heisst Kunde bringen, visionär sein.“ holt Crameri aus. „Künstler sind Schamanen der Jetztzeit. Fehlt dieses Essenziale, wird Kunst epigonal, eklektizistisch, apologetisch, unschöpferisch, ist nur noch programmiert: „l‘art pour l‘art.“ Dieser – der Kunde zugrunde liegenden – Information nachzuspüren, bedarf es eines geistigen Prozesses. Es geht um die Erkundung geistiger Dimensionen und darum, dem „Geistigen in der Kunst“ im Sinne von Kandinsky‘s gleichnamigem Buch – Ausdruck zu verleihen. Dasselbe gilt heute in zunehmenden Masse auch in der Musik. Die Summe an Erfahrungen, denen der Künstler ausgesetzt ist, schlägt sich in seinem Geist sentimentär nieder. Wichtig sind jegliche ästhetischen und ideellen Informationen, alles, womit sich der Kunschtschaffende konfrontiert sieht; die gesamte Kultur prägt diese Erfahrung. Dabei ist alles mit allem verbunden, weshalb wir unsere Musik „axiatonal“ nennen.“
(Peewee Windmüller, ‚Jazz’n’more’, 4/2010, S .21)
„Mir öffnete Cage die Augen, wenn er postuliert, dass die Zukunft der Musik der ‚All-Tonalität’ gehöre. Kagel redet im Zusammenhang mit der von ihm komponierten, auf elektronischem Weg erzeugten Musik von ‚der Mehrdeutigkeit in der Niederschrift und Interpretation musikalischer Vorgänge’. Die daraus resultierende, verfeinerte Tonalität ermöglicht Musik im zwischentonalen Bereich. Die Elektronik kann unbekannte, im Konglomerat versteckte Schwingungsfrequenzen jenseits vom Instrumental hörbar machen. Erst Dank der Elektronik geht die Reise richtig nach innen. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass Alles schwingt, ewig in Bewegung ist, dass es ohne Schwinung keine Materie und auch keine Musik gäbe, gehört die Elektronik als Hilfsmittel zur zeitgenössischen Musik. Andernfalls fehlte es an Zeit-Adäquanz; die Musik widerspiegelte nicht die Zeit, in der wir jetzt leben und wäre somit nicht zeitgemäss.“
(P. Windmüller, ‚Jazz’n’more’, 4/2010, p. 23)
Was bleibt, ist Crameris unglaubliche Entdeckerlust, seine geradezu manische Suche nach ungespielten Sounds, nach Fluchtwegen aus einer verseuchten Musiklandschaft…
… PAF ist die ausserparlamentarische Klangrevolution des 21. Jahrhunderts. Radikal, systemkritisch, isoliert, aber im Gegensatz zur RAF voller Zuversicht.
(R. Köchel, ‚Jazz Thing‘, April 2008)
Ausführliche Version der Texte unter www.plastic-art-foundation.com